Die Giraffe im Blickpunkt

Beim weltweit höchsten Landsäugetier erübrigt sich fast jegliche Beschreibung. Der extrem lange Hals der Giraffe (Giraffa camelopardalis) hat wie der Hals aller anderen Wirbeltiere nur sieben, allerdings besonders lange Wirbel. Sie kann bis zu 5,60 m hoch werden, wobei die Kühe kleiner sind. Giraffen werden ungefähr 20 Jahre alt und leben in Herden mit relativ lockerer Sozialstruktur.

Männliche Tiere wiegen bis 1200 kg, Weibliche bis 850 kg und ihr Schwerpunkt liegt sehr hoch. Daher rührt auch ihr eigenartiger Gang. Sie sind Paßgänger und bewegen sich nur langsam; im Galopp aber greifen die Hinterbeine weit aus, setzen vor den Vorderbeinen auf und erreichen so bis 60 km/h. Ihre bevorzugte Umgebung ist buschiges und mit Buschwerk bestandenes Gelände mit Akazienbäumen, die begehrteste Nahrung mit hohem Proteingehalt. Dank ihrer ungewöhnlichen Länge findet die Giraffe ihre Nahrung außerhalb der Reichweite anderer Laubfresser. Mit den Lippen zieht sie die Zweige an sich heran, windet die Zunge um sie und streift die Blätter ab. Die Zunge ist schwarz und ca. 45 cm lang. Der Speichel ist besonders dick und zäh und vor allem bei starken Dornen von großem Nutzen. Giraffen sind Wiederkäuer, die zum zweiten Kauen die Nahrung drei Meter hoch durch den Hals pumpen.

Beide Geschlechter haben kurze, fellbedeckte Hornzapfen. Die Kühe haben einen Haarbüschel auf der Spitze, die des Bullen sind unbehaart. Giraffen pflanzen sich das ganze Jahr über fort. Weibchen werden mit 5 Jahren, Männchen erst mit 8 Jahren geschlechtsreif. Während der Paarungszeit tragen die männlichen Tiere Scheinkämpfe aus, indem sie die Hälse gegeneinander schwingen und mit den Hörnern stoßen. Sie erkämpfen den Rang des Stärkeren, vertreiben aber den Schwächeren nicht. Die übrigen Giraffen nehmen kaum Anteil am Kampf. Nach einer Tragzeit von fast 15 Monaten erfolgt die Geburt trotz der großen Fallhöhe im Stehen. Das Fohlen ist dann 1,80 m hoch und ca. 70 kg schwer. Zwillingsgeburten sind selten.

Schon eine Stunde nach der Geburt kann es laufen. Die Jungen wachsen schnell, Giraffenmilch ist sehr fettreich. Zwischen Mutter und Kind besteht nur eine lockere Beziehung. Die Sterblichkeitsrate der Jungtiere ist mit acht Prozent nur wenig höher als die der erwachsenen Tiere mit drei Prozent. Ausgewachsene Giraffen haben wenige Feinde zu fürchten. Auch gegen angreifende Löwen können sie sich mit Fußtritten ihrer Vorderhufe gut zur Wehr setzen. Am gefährdetsten ist eine Giraffe wenn sie trinkt und dazu die Vorderbeine spreizt und den Kopf zum Wasser senkt.

Das Trinken der Giraffe kommt einer Zeremonie gleich.

Minutenlang steht sie am Wasser, beugt den Kopf, beginnt die Beine zu spreizen, um dann doch wieder hochzuschrecken. Wird dann endlich getrunken, dauert es nur Sekunden und sie springt wieder hoch. Beim Heben und Senken des Kopfes schwankt der Blutdruck der Giraffe sehr. Das Herz muß bis zum Kopf eine Blutsäule von über zwei Metern hochdrücken. Deshalb ist die Wand der Halsschlagader 1,2 cm dick und der Blutdruck doppelt so hoch wie beim Menschen. Um den Blutdruck im Gehirn auf gleichbleibendem Niveau zu halten, benötigen Giraffen ein Ausgleichssystem, denn das Gehirn befindet sich beim aufrecht stehenden Tier hoch über, beim Tier mit gesenktem Kopf weit unter dem Herzen. Der Druck in den Gehirngefäßen wird durch Ausdehnen oder Zusammenziehen der Äderchen ausgeglichen.

Wenn das Tier den Kopf senkt, füllt sich außerdem die innere Kopfschlagader mit Blut und verhindert so, daß zuviel Blut durch das Gefäßsystem fließt. Verschlußklappen in den Venen, die wie Rückschlagventile funktionieren, sorgen dafür, daß das zum Herzen strömende Blut nicht mehr ins Gehirn zurücklaufen kann. Hebt die Giraffe den Kopf, dann gibt die innere Halsschlagader ihr Blut an das Wundernetz weiter, das genügend Blut speichert, um eine ständige Durchblutung des Gehirns gewährleisten zu können.

Und nun liegt es in den Händen der Menschen, an uns allen, den schwarzen Kontinent zu schützen, damit noch viele Generationen die Faszination erleben, die längsten Landsäugetiere der Welt beobachten zu können.


Text und Fotos: © 2003 Dieter Höll